Reisebericht über die siebte Busreise nach Weprowatz zur Kirchweih vom 20. bis 26. August 2015

Das Interesse an der Reise nach Weprowatz (heute Kruščić) war dieses Jahr mäßig. Lange Zeit wusste der Vorsitzende des Heimatortsausschusses Weprowatz, Heinz Kaldi, nicht, ob die Reise zustande kommen würde.

 

Viele, die schon oft dabei waren, wollten eigentlich nicht mehr fahren, entschlossen sich aber dann im Hinblick auf das Interesse am Erhalt des Denkmals auf dem ehemaligen Deutschen Friedhof und der Kirche doch für die Reise, bereut haben sie es nicht. Die Reisegesellschaft umfasste dann doch 41 Personen – alle haben sich prächtig verstanden. Heinz Kaldi hat wie bei den letzten Reisen die Fahrt perfekt vorbereitet und durchgeführt, obwohl er viele Sonderwünsche berücksichtigen musste.

 

Um 7.00 Uhr startete der Reisebus der Firma Pflüger aus Winnenden mit dem Fahrer Uwe Wagner, der uns schon mehrfach sehr gut chauffiert hat, in Backnang mit bereits 21 Personen. Auf der B 14 ging die Fahrt zur A 6 Richtung München. Auf dem Rastplatz Reußenberg stiegen drei, am Köschinger Forst eine und am Flughafen München weitere vier Personen zu. Gegen 18 Uhr erreichten wir nach einer reibungslosen Fahrt das Euro-Hotel Arion in Schwechat bei Wien. Wir bezogen unsere Zimmer. Zum Abendessen wurde uns ein Menü aus Suppe, Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat und Apfelstrudel serviert.

 

Weitere neun Personen, die mit Flugzeug und Bahn angereist waren, stießen zu unserer Gruppe. Darunter war der sehr rüstige 98-jährige Stefan Rittner mit seiner Tochter Inge und deren Familie aus Los Angeles, USA.

 

Unsere Mitfahrer aus dem Ausland:

   

v. li. Ingeborg Heisey-Rittner, Rebecca Heisey, Nathan Heisey, Stefan Rittner, Galen Heisey aus Los Angeles, USA
John Groß mit seiner Enkelin Kaitlin Groß aus Vancouver, Kanada
Markus Bayer aus Salzburg, Österreich

Nach dem Frühstück ging die Fahrt Richtung Serbien weiter. Die Stimmung im Bus war gut. Die Teilnehmer, die zum ersten Mal dabei waren, hatten sich bekannt gemacht.

 

Ohne Zwischenfälle erreichten wir gegen 15.00 Uhr den Grenz­übergang Hercegszántó/Bački Breg. Nach der Passkontrolle ging es weiter bis Bezdan. Dort wartete Herr Beck aus Sombor, Vorsitzender Deutscher Verein „St. Gerhard“, er begleitete uns zur Gedenkstätte und den Massengräbern in Gakowa.

 

Am Fuße der Gedenkstätte legten wir zwei Blumengebinde nieder. Herr Beck berichtete über das Vernichtungslager. Diese Besuche seien sehr wichtig, um das Geschehene nicht zu vergessen. Das gesamte Dorf, das einst 3.000 Einwohner hatte, war 1945 menschenleer und diente als Lager. In jedem Zimmer eines jeden Hauses wurden 20 und mehr Menschen hineingepfercht, insgesamt lebten etwa 22.000 Donauschwaben dort; 9.000 unschuldige deutsche Menschen (junge Frauen, kleine Kinder, alte Omas und Opas) überlebten diese Zeit nicht und wurden in den Massengräbern verscharrt. Pro Tag starben 60 bis 70, maximal 128 Personen.

 

Die Verhandlungsgespräche für die Genehmigung zur Erstellung der Gedenkstätte in Gakowa gestalteten sich anfangs extrem schwierig. Erst 2004 konnte das Denkmal gebaut werden. Weiter berichtete er, dass sich 3 km von Gakowa entfernt das große Vernichtungslager Kruschiwl befand.

 

Drei Mitfahrer der Erlebnisgeneration: Florian Pollich *1936, Jakob Marth *1927, Stefan Rittner *1917
Herr Beck am Mahnmal in Gakowa

Drei der Mitreisenden waren selbst in Gakowa inhaftiert, weitere hatten Angehörige unter den Opfern. Wir sprachen Gebete und gedachten der verstorbenen Menschen.

Drei Mitreisende haben Gakowa überlebt. V. li.: Katharina Längle-Scherer, Mathias Haas, Katharina Endres-Schröder

Während unseres Aufenthalts in Serbien übernachteten wir wie im Jahr 2013 in Sombor. Herr Beck hatte uns in zwei kleineren schmucken Hotels untergebracht und auch die Abendessen organisiert. Nach der Ankunft wurden wir auf die Hotels aufgeteilt und bezogen unsere Zimmer. Hier stießen nochmals drei Personen zu uns, die mit dem Flugzeug nach Belgrad und mit einem Mietwagen nach Sombor kamen.

 

Die beiden Tage in Weprowatz verbrachten sie mit der Gruppe. Das Abendessen wurde gemeinsam in dem Fischlokal Andrić, das wunderschön und ruhig direkt am „Franz-Josefs-Kanal“ liegt, eingenommen. Über offenem Feuer in großen Kesseln wurde Fischgulasch gekocht und serviert. Auch gebratener Fisch oder Fleisch gab es zur Auswahl. Alles hat vorzüglich geschmeckt. Tafelmusik machte eine 4-köpfige Musikergruppe und spielte traditionelle serbische Musik.

Fischgulasch wird in Kesseln über offenem Feuer gekocht

Am Samstag, 22. August, stand Weprowatz auf unserem Plan. Bei leichtem Regen fuhren wir um 8.30 Uhr Richtung alte Heimat, um pünktlich um 10 Uhr zum offiziellen Empfang in der Schule zu sein. Mit Getränken und Gebäck wurden wir bewirtet. Dort fand auch die Übergabe der mitgebrachten 12 Koffer und 12 Reisetaschen statt, die voll gepackt mit gespendeten Fußballschuhen und -bekleidung, Bällen usw. waren.

Beim offiziellen Empfang in der Schule
Die Koffer und Taschen werden ausgeladen.
Zwischenlager in der Schule
Der Vorstand des Flußballklubs zeigt die gespendeten Trikots

Vom Sekretar Nenad Vlahović und vom ganzen Vorstand des Fußballklubs „FK Mladost Kruščić“ wurden wir begrüßt. Vojin Mitrić übersetzte die Begrüßungsworte des Sekretars: „Guten Tag liebe Gäste. Willkommen in unserem Kruščić und in ihrem ehemaligen Heimatort Weprowatz. Weil Sie schon so oft der Schule geholfen haben findet der Empfang heute in der Schule statt. Vertreter der Schule, des Fußballklubs und der Herr Pfarrer sind anwesend. Es ist mir eine Ehre Sie zu begrüßen und ich hoffe, dass wir uns in Zukunft noch öfter sehen. Danke für alles, was Sie für uns getan haben: für die Schule, für den Fußballklub, für die Kirche, für den ganzen Ort. Da wir nicht so viel zurückgeben können möchten wir uns mit einem Bild mit einem Motiv aus ihrem Heimatort bedanken. Hängen Sie dieses Bild dort auf, wo es viele Menschen sehen können. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Wir stehen ihnen an diesen beiden Tagen zur Verfügung. Heute Nachmittag findet um 17 Uhr ein Fußballspiel im Stadion statt. Kommen Sie und sehen Sie, wofür Sie gespendet haben. Nochmals danke für alles.“

Ein Bild von Kruščić wird übergeben. V. li.: Heinz Kaldi, Vojin Mitrić, Nenad Vlahović

Heinz Kaldi erwiderte: „Ich freue mich sehr, dass wir heute wieder nach Kruščić kommen durften. Ich bedanke mich im Namen aller Weprowatzer für dieses Gemälde, das in der Heimatstube in Zirndorf einen würdigen Platz finden wird. Im Rahmen der Weprowatzer Heimatblätter erhalten wir Spenden, die wir für unseren ehemaligen Heimatort verwenden sollen. Aus diesem Fond haben wir für die Schule zwei Laptops, für die Kirche ein neues Kirchenportal, ein neue Sakristeitür sowie neue Läufer und für das Pfarrhaus den Anstrich der Fenster bezahlt. Die Gedenkstätte auf dem ehemaligen Deutschen Friedhof wollen wir mit Hilfe von Vojin Mitrić weiterhin pflegen und instandhalten. Was er für uns tut ist sehr wichtig, denn weder die Renovierung der Kirche noch die Pflege und der Erhalt der Gedenkstätte könnten gemacht werden, wenn er es nicht vor Ort ausführen würde.

 

Zu Beginn des Jahres erreichte uns der Hilferuf von Vojin Mitrić um Unterstützung des Fußballklubs. Wir haben einen Brief verfasst und den uns bekannten Vereinen vorgelegt. Das Ergebnis war großartig und überwältigend. Etwa 60 Paar Kickstiefel – viele vom VfB Stuttgart – und Mengen von sauberen, relativ neuen Fußballbekleidungsstücken aller Art vom Fußballverein Viktoria Backnang, Sportgemeinschaft Oppenweiler, TV Rot am See, SG Sonnenhof Großaspach, SV Otterberg wurden bei mir abgegeben. Wir bitten Sie, die ganze Lieferung anzuschauen, zu sortieren, was der Fußballklub benötigt, diesem zur Verfügung zu stellen; darüber hinaus jedoch auch die Schule, den Kindergarten und bedürftige Menschen im Ort zu berücksichtigen.

Wir danken für den Empfang und hoffen, zwei schöne Tage in Weprowatz zu verbringen.“

 

Der Regen hatte aufgehört. Der Bus brachte uns zur Gedenkstätte auf dem ehemaligen Deutschen Friedhof. Heinz Kaldi und Günther Weißbarth legten einen Kranz aus Seidenblumen nieder. Die Gedenkstätte befand sich in einem gepflegten Zustand, das Buschwerk auf dem Gräberfeld war gerodet und die verblasste Schrift auf den aufgestellten Grabsteinen war erneuert. Zusammen mit Pfarrer Vajda gedachten wir unserer Toten und beteten das „Vater unser“ und “Gegrüßet seist du Maria“. Nach dem Besuch der Gräber unserer Vorfahren brachte uns der Bus zum Ungarischen Friedhof. Auch am Opferstein wurde wieder gemeinsam gebetet und die Gräber besucht.

Kranzniederlegung durch Günther Weißbarth und Heinz Kaldi

Zum Mittagessen waren wir wie bei jedem Besuch vom ungarischen Verein im sogenannten Kulturdom der Ungarn „Lajoš Košuth“ eingeladen. Es ist schon Tradition, dass es ungarisches Gulasch mit Brot und Krautsalat gibt, köstlich und reichlich. Zum Nachtisch gab es eine Himbeerschnitte.

Fußballspieler vor dem Einlaufen
Zuschauer im Stadion

Der Nachmittag stand zur Besichtigung der Häuser und zum Gang durch die Straßen und Gassen zur Verfügung. Um 17 Uhr begaben sich die meisten zum Fußballspiel „FK Mladost Kruščić“ gegen „FK Stanicic“ im Stadion. Beim Stand von 1:0 für Kruščić (was auch der Endstand blieb) mussten wir leider zur Halbzeit die Zuschauertribüne verlassen, weil der Bus zur Abfahrt bereit stand.

 

Um 18 Uhr brachte uns der Bus zurück nach Sombor, Herr Beck hatte uns auf einem Salasch am Rande der Stadt, der mit einem Museum und einem Restaurant ausgestattet war, angemeldet. Wir wurden von den Gastgebern mit verschiedenen Schnäpsen empfangen und begrüßt. Anschließend gab es Suppe, verschiedene Fleischsorten, scharfe Kartoffeln und Krautsalat. Zum Nachtisch wurden Kirsch- und Mohnstrudeln mit Kaffee gereicht. Die Stimmung war gut. Es wurde viel erzählt und gelacht. Gegen 22.00 Uhr erreichten wir unsere Unterkünfte und ließen den Tag dort ausklingen.

Nachtessen auf dem Salasch
Mohn- und Kirschstudeln

Am Sonntag, 25. August, fuhren wir dann zur Kirchweih nach Weprowatz. Um 10 Uhr wurde die heilige Messe von Pfarrer Vajda gehalten – wie immer teilweise in drei Sprachen.

In der Stefanskirche wurden 10 Mitreisende getauft.

Vor der Kirche v. li.: Jakob Straub *1940, Katharina Längle-Scherer *1940, Jakob Marth *1927, Katharina Endres-Schröder *1939, Her-ta Blaß-Bissinger *1951, Elfriede Gebhardt-Wituschek *1942, Stefan Rittner *1917, Adam Bissinger *1941, Anna Haas-Weißbarth

Die Erneuerungen an der Kirche

Das neue Kirchenportal
Die neue Sakristeitür
Der neue Läufer in der Kirche

Am Sonntagmittag sorgte Vojin Mitrić für unser leibliches Wohl. Der Bus brachte uns wieder zum Stadion. Dort sind überdachte Sitzplätze im Freien. Aus einem Restaurant der Nachbargemeinde besorgte er das Essen. Zusammen mit dem bewährten Küchenteam aus dem Spital wurden uns Grillteller mit verschiedenen Wurst- und Fleischsorten mit Tomaten- und Krautsalat aufgetischt. Zum Nachtisch gab es die heiß geliebten Mohn- und Kirschstrudeln. Das Bier wurde vom Fußballklub verteilt. Allen schmeckte es wieder sehr gut. Ein herzliches „Danke Schön“ an Vojin Mitrić und den vielen fleißigen Helfer/innen in der Küche an beiden Tagen.

Gruppenfoto am Kanal

Auf Wunsch von vielen Reiseteilnehmern brachte uns um 14 Uhr der Bus zur Gedenkstätte „Heuwiese“ in Hodschag, wo am 25. November 1944 von einem Partisanenkommando 212 Filipowaer Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren ermordet wurden. Auch hier beteten wir gemeinsam das „Vater unser“ für diese unschuldigen Männer.

Vor der Gedenkstätte „Heuwiese“

Bis zum Imbiss um 18.00 Uhr im Pfarrhaus konnten wieder Besuche abgestattet, Häuser besucht und unbekannte Ecken und Stellen im Dorf aufgespürt werden. Heinz Kaldi bedankte sich beim Pfarrer für die Einladung zum Imbiss und für die Messe, die er auch in deutscher Sprache gehalten hatte. Jedoch ohne Vojin Mitrić wären die Erneuerungen nicht zu machen gewesen. Als nächstes sollte nach der Feuchtigkeit im Mauerwerk der Kirche und nach den kaputten Fliesen gesehen werden. Vojin Mitrić wurde gebeten, einen Kostenvoranschlag einzuholen. Im März nächsten Jahres werde die nächste Sitzung des HOA Weprowatz stattfinden. Dort wird dann beschlossen, was an der Kirche im nächsten Jahr gemacht werden kann.

 

Während der Anreise seien wir an verschiedenen Kirchen vorbeigefahren, die dem Verfall preisgegeben sind. Deshalb ist es für uns eine große Freude, dass die Kirche in Weprowatz noch so gut in Schuss ist. Wir wollen dazu beitragen, dass es so bleibt. Er wünschte dem Pfarrer alles Gute und „halten Sie unsere Kirche wachsam im Auge“.

 

Um 19.00 Uhr ging’s zum Ball ins „Spital“. Eine Vier-Mann-Kapelle spielte zum Tanz. Beim Czárdás und Kolo vermischte sich der Kreis der ungarischen Profis mit deutschen Gästen, von jung bis alt. Die Stimmung war richtig gut. Leider war die Abfahrt ins Hotel auf 22.30 Uhr terminiert und das gemeinsame Tanzen musste beendet werden.

Tanz im Spital

Am Montag, 24. August fand die Rückfahrt nach Wien statt. Wir bezogen unsere Zimmer im Euro-Hotel Arion in Schwechat. Nach dem Nachtessen wurde von einigen Schafkopf gespielt, andere machten einen Spaziergang oder hatten angeregte Gespräche.

 

Am Dienstag, 25. August stand ein Ausflug ins Burgenland und zum Neusiedler See auf unserem Programm. Der erste Halt war in Eisenstadt. Wir besuchten den Kalvarienberg mit der angebauten Bergkirche, wo sich unter dem Nordturm das Mausoleum des großen Komponisten Joseph Haydn befindet. Dann folgte der Gang durch die Altstadt von Eisenstadt, vorbei am Schloss Esterházy, dem Liszt-Denkmal, der Pestsäule und den wunderschönen alten Hausfassaden. Der Bus brachte uns nach Mörbisch am Neusiedler See. Mit dem Schiff fuhren wir nach Illmitz am gegenüberliegenden Seeufer. Weiter ging die Busfahrt nach Frauenkirchen wo wir die barocke Basilika und Wallfahrtskirche Mariä Geburt mit dem angeschlossenen Franziskanerkloster besichtigen. Vom Abt wurden wie begrüßt und erhielten den Segen. An der Mauer des alten Friedhofs ist ein Denkmal für die Donauschwaben angebracht. Der Bus brachte uns zum Hotel zurück, wo wir den Tag ausklingen ließen.

 

Am nächsten Tag, Mittwoch, 28. August 2103, lag die letzte Etappe der Heimreise vor uns. Für Kurzweil sorgte Inge, die Tochter von Stefan Rittner, die am besten noch den Weprowatzer Originaldialekt beherrschte. Sie las verschiedene Anekdoten in Mundart vor. Auch sang sie mit ihrer Tochter Rebecca eine Strophe des Weprowatz-Liedes (des hot ihra die Reger, Kathibesel in Amerika glernt). Die Fahrt verlief reibungslos.

 

Auf der Rückfahrt wurden im Bus die restlichen Dinar eingesammelt. Es kamen 11.000 Dinar zusammen, etwa 100 €. Die Spende von den Reiseteilnehmern wird für den Erhalt und die Pflege des Denkmals auf dem ehemaligen Deutschen Friedhof verwendet.

 

Zum Schluss ergriff Elfriede Seiler das Mikrofon und bedankte sich bei Heinz Kaldi für die umfangreiche und perfekte Vorbereitung der Reise und die hervorragende Reiseleitung.

 

Die vielen Eindrücke werden den Teilnehmern sicher noch lange in Erinnerung bleiben.

ANMERKUNGEN UND GEDANKEN DER MITREISENDEN
ZUR FAHRT NACH WEPROWATZ

 

Herta Blaß-Bissinger und Adam Bissinger: Neugierig warteten mein Bruder Adam und ich am Münchner Flughafen auf den Bus aus Backnang. Es war unsere erste Reise mit der Heimatortsgemeinschaft nach Weprowatz. Von den Mitreisenden wurden wir herzlich begrüßt. Der älteste Teilnehmer stellte sich uns als Jakob Marth, der „Balwierer von Weprowatz“, vor. Die erste Frage von Herrn Marth war: „Wu het ir gwont un vun was vor oom Bissinger seid ir“? Wir antworteten: „Unser Großvater war der Jakob Bissinger und die Großmutter war die Eva Schall“. Mütterlicherseits sind der „Scherer Josef und die Seiler Katharina“ unsere Großeltern und gewohnt haben wir in der Vorderen Reihe 120. Nach kurzer Pause kann sich der „Balwierer“ erinnern: „Do hot doch dr Ruwa-Scherer sei Haus ghat und zwo Techter hot er ghat! Der Hausname „Ruwa-Scherer“ von unserem Großvater war für uns eine Überraschung. Jakob Marth hat als junger Balwierer und Musiker viel erlebt und hat uns Geschichten und Begebenheiten aus dem Weprowatzer Alltag erzählt.

 

In Wien ist Herr Stefan Rittner mit Familie zugestiegen. Jetzt war Herr Rittner der älteste Teilnehmer. Er ist mit unserem Onkel, dem Pollinger Franz, in die Schule gegangen. An die Lausbubengeschichten aus der Kindheit kann er sich noch gut erinnern. Unser Onkel Franz und Tante Gretl waren mit Herrn Rittner und weiteren Weprowatzern 1944 im „Judentempel“ in Sombor eingesperrt und haben zusammen die Lagerzeit in Rußland erlebt und überlebt.

 

Genächtigt haben wir in einem Hotel in Sombor. Von hier aus sind wir am Samstag zum Ziel unserer Reise aufgebrochen. Die Straße nach Kruščić ist links und rechts gesäumt von Feldern mit fruchtbarem Ackerboden. Nach dem offiziellen Empfang in der Schule durch die Abordnungen der Gemeinde Kruščić haben wir die Gedenkstätte auf dem ehemaligen Deutschen Friedhof in Weprowatz und die Gräber besucht, danach den Ungarischen Friedhof. Dieser macht einen besseren Eindruck, doch zwischen den Gräbern der „Donauschwaben“ wachsen Bäume und Unkraut. Das Grab von unserem Großvater, Jakob Bissinger, gibt es nicht mehr. Dafür steht aber noch die Gruft vom Seiler Josef (Bürgermeister), dem Bruder unserer Großmutter. Anschließend haben wir im Spital ein gutes Gulasch gegessen.

 

Wir sind 1955 aus Weprowatz ausgewandert. Mein Bruder hat seine Schulzeit in Weprowatz verbracht und kennt sich im Dorf aus. Zusammen haben wir am Nachmittag eine große Besichtigungstour durch die Ortschaft gemacht. Das Scherer-Haus in der Vorderen Reihe 120 steht noch. Das Haus daneben wurde abgerissen und eine schmale Straße führt nach Filipowa. Von hier aus konnten wir in den Bereich der ehemaligen Stallungen usw. einsehen und Fotos machen. Die Rückseite des Gebäudes ist einsturzgefährdet und der Garten ist verwildert. Die Besitzer haben sich nicht sehen lassen. Zur Erinnerung habe ich mir einen Lehmziegel mitgenommen.

 

Auf die „Kerweih“ war ich besonders neugierig. Aus Erzählungen der Eltern und Großeltern muss das ja früher „das Fest“ gewesen sein. Es wurde geschlachtet, gebacken, Haus und Hof in Ordnung gebracht. Als wir am Sonntag in Weprowatz ankamen, hatten die Händler vor der Kirche ihre Stände mit Süßigkeiten, Plastikspielzeug, Modeschmuck usw. bereits aufgebaut.

 

Der Gottesdienst wurde in drei Sprachen gehalten und der Chor hat auch deutsche Lieder gesungen. Nach Aussagen der Mitreisenden hat sich in der Kirche nichts verändert. Sogar das Opfergeld wird noch mit dem alten Klingelbeutel eingesammelt. Wie haben die Frauen früher mit den vielen Röcken in den schmalen Bänken Platz gefunden?

 

Beim gemeinsamen Fischgulaschessen oder beim Essen auf dem Salasch haben wir von den Mitreisenden erfahren, auf welchem Weg die Weprowatzer geflüchtet sind und wo sie eine neue Heimat gefunden haben.

Mit einer netten Reisegesellschaft, vergleichbar mit einem Ver­wandtentreffen, haben wir interessante Gespräche geführt und die Spuren unserer Vorfahren gesucht. Es waren schöne Tage und dafür danken wir der Familie Kaldi und allen, die im Hintergrund mitgearbeitet haben, um diese Reise zu ermöglichen.

 

Daniel Kaldi: Mit meinem Vater und meinen Großeltern bin ich dieses Jahr zum ersten Mal mit nach Weprowatz gefahren. Es hat mich sehr interessiert, da ich zwar durch Erzählungen von vorherigen Reisen viel gehört habe, aber mir nicht viel darunter vorstellen konnte. Nun, da der Ausflug vorbei ist, muss ich vor allem eines bestätigen, von dem man so oft gehört hat: Das Essen war wirklich super lecker!

 

Natürlich war die Reise anstrengend und teilweise auch sehr traurig, da man, wenn man die Geschichten zum Beispiel von Gakowa hört, doch schon sehr wütend werden kann.

Es ist einfach unverständlich, wie Menschen so grausam und brutal sein können, aber umso wichtiger ist es sich, daran zu erinnern und einen Bezug dazu aufzubauen. Meiner Meinung nach sollten viel mehr Menschen ihrer Vergangenheit auf den Grund gehen, denn jeder hat in irgendeiner Form mit einem sehr negativen oder positiven Ereignis zu tun. Man sollte versuchen sich dessen bewusst zu werden und alles dafür zu geben, dass solche Unmenschlichkeiten nicht mehr vorkommen.

 

Was mir sehr gut gefallen hat, war Kruščić selbst, da es zeigt, wie groß der Kontrast zu unserem Lebensstil ist. Dies ist meinem Vater und mir besonders aufgefallen, als wir am Montag an einem Tag von Sombor zum Frankfurter Flughafen gereist sind. Die Landschaft in und um Kruščić ist auch sehr schön, besonders der "Freibadbereich" beim Fußballplatz. Die naturnahe Lebensweise ist beeindruckend, vor allem wenn "mir nichts dir nichts" drei Schäfchen auftauchen und anfangen wenige Meter entfernt die Grünfläche der Kirche zu mähen. Was mir besonders gefallen hat war die Reisegruppe. Man konnte sich mit jedem gut unterhalten, alle waren nett und es war sehr interessant und überwältigend, mit wem man im Endeffekt verwandt ist. Alles in allem war es sehr interessant und ich bereue es nicht mitgefahren zu sein.

 

Katrin Kaldi: Vor vier Jahren habe ich bereits schon einmal eine Reise nach Weprowatz erlebt. In meinen damaligen Anmerkungen endete ich mit den Worten: Wer weiß, vielleicht komm ich ja irgendwann einmal wieder hom uf Weprowatz.

 

Und was soll ich sagen? Es hat mich wieder nach Weprowatz gezogen. Ich machte mich noch einmal auf den Weg hom uf Weprowatz und wie auch schon damals lagen Freud und Leid für mich wieder sehr nah beieinander, ich war überwältigt.

 

Für mich war die Reise aus dem Blickwinkel etwas Neues, da ich von meinem Mann, Christian Schulze, begleitet wurde. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Auch dass meine Godel, Katharina Längle-Scherer wieder mit dabei war, hat mich sehr gefreut. Es ist für mich jedes Mal etwas ganz Eigenes, wenn sich ein Bus voller Menschen zusammen findet und sich gemeinsam auf den Weg zu unseren Wurzeln macht. Die Begegnung der Menschen untereinander und auch vor Ort ist für mich immer wieder etwas ganz Besonderes.

 

Das Begehen der von der Vergangenheit sehr emotional behafteten Gedenkstätten, das Wiedersehen der alten Häuser und Straßen, das Hören des Dialektes und bestimmter Ausdrücke, das Erfahren des Erlebten einiger Zeitzeugen (darunter Fam. Haas, Gedenkstätte Filipowa oder Jakob Marth und Katharina Längle-Scherer) sind immer wieder sehr beeindruckend. Es ist jedes Mal für mich ein bisschen, wie wenn ich mich auf eine Zeitreise begebe, einen Blick in eine andere Welt tun darf.

 

Die zwei Abende in der Csarda und auf dem Salasch fand ich gelungen und ansprechend, auch das Verwöhnprogramm der ungarischen Frauen war wie immer toll.      Als beim Fußballspiel der Trainer von Kruščić ein Trikot des TV Oppenweiler trug – von dem Verein, wo unser Sohn Fußball spielt –, konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Ich hatte das Gefühl, alles war richtig so.

Trainer mit dem Trikot des TV Oppenweiler

Für mich war es eine sehr schöne und gelungene Reise, an die ich sicherlich noch öfters zurückdenken werde.

Bedanken möchte ich mich ganz herzlich bei all denen, die dazu beigetragen haben, dass diese Reise so stattfinden konnte. Natürlich auch bei meinem Vater, Heinz Kaldi, der wie immer alles gut geleitet und organisiert hat. Weiter bei allen mir schon bekannten und neu kennenge­lernten Personen, denn nur in dieser Zusammensetzung konnte es sein, wie es war.

 

Nun möchte ich mit dem Spruch enden, den Katharina Längle-Scherer auf dem Grabstein von Johann und Eva Pischl gefunden hat, der mich an­gesprochen und mir gefallen hat:

 

Auf Erden war das Leben schön

Doch schöner ist´s in Himmelshöhn

Zu End ist unser Lebenslauf

Im Himmel ruh´n uns friedlich aus.

Ruhe sanft!

 

Und so hoffe und wünsche ich, dass die vielen Verstorbenen und Getö­teten auf den Friedhöfen, den Gedenktafeln, den Gedenkstätten und in den Massengräbern und auch die, die nirgends aufgeführt sind, mittlerweile in Frieden ruhen können.

 

Manfred Kessler: Ich bin der Sohn von Josef Kessler aus der Post­gasse 7. Für meine Frau Heiderose und mich war es schon die 5. Reise nach Weprowatz. Es hat uns immer gefallen, zumal auch jedesmal neue Teilnehmer dabei waren. Das einzige Manko ist die lange Busfahrt, die jedesmal zu dicken Füßen führte. Für mich, der ich in Stuttgart geboren bin, war es wichtig dabeizusein, wo meine Vorfahren lebten, wo mein Vater geboren und aufgewachsen ist.

 

Bei jeder Fahrt haben wir immer etwas Neues gesehen – auch dieses mal. Auf dem Deutschen Friedhof fand ich nun einen Grabstein, der mich sehr interessierte. Nach näherem Hinschauen habe ich herausgefunden, dass es der Grabstein von Josef Kessler *1885 war, der am 16. November 1905 im Alter von 20 Jahren verstarb, seine junge Frau (Eva Kessler geb. Fais *1889) und sein drei Monate altes Kind (Matthias Kessler, geb. 24. August 1905) zurücklies. Als Spruch steht auf dem Grabstein: „Im Grab ist Ruh auf Erden, voller Schmerz ruhe geliebtes Herz. Hier in diesem Trauergarten will ich mein Weib, Kind und Eltern erwarten.“ In den Sockel wurde später der Name seiner Eltern Josef Kessler und Elisabetha Horn eingemeiselt.

 

Josef Kessler kam durch einen Unfall ums Leben. Für mich war es wie ein Geschenk, da dies der Grabstein meines Urgroßvaters ist. Meine Urgroßmutter Eva Höffner verw. Kessler geb. Fais starb im Jahr 1968 als ich 15 Jahre alt war. Ich bin ziemlich happy, denn damit habe ich natürlich nicht gerechnet.

Manfred Kessler am Grabstein seines Urgroßvaters

Der ganze Aufenthalt in Weprowatz war wie immer gut vorbereitet. Viele Eindrücke und Bilder wurden mit nach Hause genommen. Bedanken möchte ich mich bei meiner Frau, bei allen Mitfahrern und bei Heinz Kaldi für die tolle Zeit in der alten Heimat.

 

Elisabeth (Lisa) Krebiehl: Meine Eltern Philipp Städtler und Christina geb. Roos stammen aus Siwatz. Ich habe selbst zwar keine Wurzeln in Weprowatz, jedoch besteht eine Verbindung in der Familie dorthin. Mein Ur-Urgroßvater Kaspar Kuhar heiratete 1877 in zweiter Ehe die Witwe Katharina Marth geb. Schnitzler in Weprowatz. Diese Ehe blieb kinderlos.

 

Zuerst möchte ich mich bedanken für die herzliche Aufnahme im Kreis der Weprowatzreisenden. Ich bin voll von den Eindrücken dieser Reise, die perfekt organisiert war. Nachdem ich von Jakob Straub erfahren habe, dass eine Reise nach Weprowatz stattfindet, meldete ich mich spontan an. Vor der Abreise wusste ich nicht was auf mich zukommt; aber diese Reise war eine echte Bereicherung. Vor allen Dingen beeindruckte mich das Verständnis unter den Generationen. Und dank Jakob Marth kann ich jetzt Czárdás tanzen. In jedem Gespräch erfuhr ich andere ergreifende Schick­sale. Ich kannte ja nur das Schicksal meiner Familie. Erstaunt war ich über das positive Denken der Weprowatzer trotz dieser Erlebnisse. Gefreut hat es mich auch, dass ich nach Siwatz konnte, um das urgroßelterliche Haus zu suchen. Bei der nächsten Reise nach Weprowatz hoffe ich wieder dabei sein zu können.

 

Brigitte Tischhauser geb. Marth: Hier ein kurzer Reiseeindruck: Dieses Jahr wollte ich mich unbedingt zusammen mit meinem Vater Jakob Marth den Weprowatzfahrern anschliessen. Ich war schon sehr gespannt auf diese Reise in die eigene Geschichte. Es war ein Erlebnis, viele, ganz unterschiedliche Leute kennenzulernen.

 

Unsere Reisegruppe hatte ein Teilnehmeralter von 15 bis 98 Jahren und sie kamen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Kanada und den USA. Im Bus kam man ziemlich schnell fast mit jedem Mitfahrer ins Gespräch. Es wurden Schicksale erzählt, die wir nur aus den Geschichts­büchern kennen. Es gab lustige Erzählungen, aber überwiegend waren es sehr berührende Geschichten. Das Vernichtungslager in Gakowa, wo wir eine kleine Gedenkfeier abhielten, hat auf mich einen tiefen Eindruck gemacht. Fast 10.000 Donauschwaben liegen dort in einem Massengrab. Auch gab es unter den Mitreisenden Zeitzeugen, die von schicksal­schweren Ereignissen erzählen konnten.

 

Der Empfang in Weprowatz vom Bürgermeister und Pfarrer war herzlich und freundlich. Das Elternhaus meines Vaters durften wir besu­chen und wurden zu einem Kaffee eingeladen. Die Tage vergingen rasch.

 

Es war eine ganz besondere Reise. Ich bin froh, dass ich mich entschie­den habe mitzufahren, ganz besonders weil ich diese Reise mit meinem 88-jährigen Vater machen konnte, dem die Strapazen nicht anzumerken waren.

 

Nochmals einen herzlichen Dank an alle, die diese erlebnissreiche Ausfahrt geplant und durchgeführt haben.

PS: Ich habe noch nie einen Menschen mit 98 Jahren kennen gelernt , der trotz Krieg und Vertreibung im Herz und Wesen so jung geblieben ist wie Stefan Rittner. Alle Achtung!